Zacharias Hildebrandt
In der hügeligen Landschaft des südöstlichen Harzvorlandes liegt die alte Bergstadt Sangerhausen.
Hier und in zwei nur wenige Kilometer entfernten Dörfern, Pölsfeld (nordöstlich) und Sotterhausen (südöstlich), wirkte in den Jahren 1727 bis 1731 einer der bedeutendsten mitteldeutschen Orgelbauer des Barock: Zacharias Hildebrandt.
Die drei erwähnten Orte bilden geographisch ein Dreieck, sodass von einem Hildebrandtschen Orgeldreieck gesprochen werden kann.
Rund zwanzig Jahre nach seiner Wirksamkeit im Sangerhäuser Gebiet, 1749, baute Hildebrandt im ca. 35 Kilometer entfernten Hettstedt eine neue große Orgel, von der aber leider nur der Prospekt erhalten ist, welcher dem der Sangerhäuser Jacobiorgel sehr ähnlich sieht.
Das genaue Geburtsdatum Hildebrandts ist nicht bekannt. Da er 1757 im Alter von 69 Jahren starb muss er 1688 geboren sein, drei Jahre nach Johann Sebastian Bach. Der Geburtsort ist Münsterberg in Niederschlesien, sein Vater war der Wagner (Wagenbauer) Heinrich Hildebrandt, der Name der Mutter ist unbekannt.
Die ersten fünfundzwanzig Lebensjahre Hildebrandts liegen im Dunkeln. Erst 1713 findet sich seine Spur wieder in Freiberg/Sachsen. Hier arbeitete zu dieser Zeit der auch noch junge Gottfried Silbermann im Dom an seiner ersten dreimanualigen Orgel. Silbermann nahm Hildebrandt in seine Werkstatt auf, damit war allerdings ein Vertrag verbunden, der Hildebrandt im Laufe seines Lebens und seiner beruflichen Tätigkeit noch manchen Ärger bereiten sollte, bis hin zu juristischen Auseinandersetzungen.
Hier ist nicht der Platz um darauf näher einzugehen. Wer mehr über Hildebrandts Leben und Schaffen wissen möchte sei auf das Buch „Der Orgel – und Instrumentenbauer Zacharias Hildebrandt“ von Ulrich Dähnert, erschienen im Verlag Breitkopf und Härtel, Leipzig und Wiesbaden 1962, hingewiesen. Dieses sehr verdienstvolle Werk darf als die Basis aller Hildebrandtforschung betrachtet werden und wird von mir mehrfach zitiert. In der Darstellung der einzelnen Orgelschicksale ist es nicht mehr aktuell, da sich in der Zwischenzeit am Be- und Zustand der Instrumente einiges geändert hat, erfreulicherweise auch positiv, wie in den Fällen Sangerhausen und Sotterhausen.
Nach Arbeiten im Auftrage Silbermanns und anschließend auf eigne Rechnung kam Hildebrandt 1727 nach Sangerhausen. Spekulationen darüber, wer ihn empfohlen haben könnte, sind müßig. Dähnerts These, es könne J.S. Bach gewesen sein, der sich 1702, mit siebzehn Jahren, um die Organistenstelle an St. Jacobi beworben hatte, sie auch bekam, aber auf ein herzogliches Veto hin nicht antreten durfte, ist reine Vermutung. Fest steht nur, dass Hildebrandt seinen Wohnsitz längere Zeit in Leipzig hatte und spätestens bei der Abnahme und Einweihung seiner Orgel in Störmthal durch J.S.Bach diesen kennen lernte. Bach schätzte Hildebrandt offenbar und ließ ihm kleinere Aufträge zukommen. Auch baute Hildebrandt das von Bach erdachte Lautenclavicymbel. Bei der zeitweilig geographischen und vielleicht auch musikalisch – geistigen Nähe der beiden Männer kann vermutet werden, dass Bach an der klanglichen Gestaltung einiger Orgeln Hildebrandts beteiligt war, bewiesen ist das aber bis heute in keinem einzigen Fall.
Die Klanggestalt der frühen Hildebrandtschen Orgeln entsprach noch dem Silbermannschen Geist. Mit der Zeit entwickelte er aber einen eignen Stil, der von Fall zu Fall sehr unterschiedlich sein konnte. Im Gegensatz zu seinem Lehrmeister war er stilistisch sehr variabel. In seinen größeren Instrumenten baute er Klangfarben, die schon auf die Zeit der musikalischen Empfindsamkeit hinweisen, daneben stehen dann die Klangfarben der klassischen barocken Orgel. So ergibt sich aus der zeitlichen Entfernung das Bild eines Wanderers, aber auch Vermittlers zwischen den stilistischen Welten.
Hildebrandt starb nach einem nicht leichten Leben – u.a. war er sehr häufig in finanziellen Schwierigkeiten – am 11.Oktober 1757 in Dresden und wurde am 14.Oktober auf dem Neustädter Friedhof beigesetzt.
Michael Pohl